NACHT - SCHATTEN - SPUREN

Der Fotograf aus Köln

Siepe
© by myself

Wilhelm Siepe

Ich war es gewohnt, mit der Kamera durch Köln zu streifen, in Winkel und Ecken zu peilen, wie ein Detektiv auf der Jagd nach Motiven.
Eine Strichfigur an der Wand gefiel mir - da noch eine und da eine dritte.
In der Dunkelkammer wurde mir schlagartig klar, wem ich hier auf der Spur war. - Zwar hatte ich vom "Züricher Sprayer" nur flüchtig gehört und einmal ein Foto gesehen, doch intuitiv war ich sicher: dies ist derselbe Strich, dasselbe Handgelenk, das ist der Sprayer von Zürich!
Die zwei ersten Fotos saßen auf Anhieb, doch das dritte riss aus der Reihe. Also nochmal hingehen und anders gestalten. Acht Anläufe brauchte es, bis ich zufrieden war.

Inzwischen waren neue Figuren aufgetaucht. Freunde berichteten, dass sie in anderen Straßen Ähnliches entdeckt hätten.
Ich nahm meine Probeabzüge von der Wand und ersetzte sie durch den Stadtplan von Köln. Stecknadeln markierten die Fundorte wie bei der Mordkommission. Ich begann eine Rasterfahndung.
Jetzt lernte ich Köln wirklich kennen. Zwischen Mülheimerbrücke und Severinstor inspizierte ich jedes Fallrohr und Garagentor, jede Bordsteinplatte und Pinkelecke. Zu Rad, zu Fuß und auf Knien.
Manchmal konnte ich die Fundstellen vorher beinahe riechen - fast fühlte ich mich eins mit dem Erzeuger dieser Figuren.

Manche der Orte zeigten sich spröde, wollten ihr Flair nicht hergeben ans Foto. - Ich musste wiederkommen, zweimal, dreimal - zehnmal, bis der Blickwinkel stimmte und das Licht. Ich war dieser Arbeit verfallen und wollte nicht ruhen, bevor ich alle Figuren entdeckt und in ihrem Wesen erfasst hätte.

Zwei Jahre nahm es in Anspruch, dann war die Mappe komplett.


" Eine reine Schwarzweißfotografie folgt dem grafischen Naturell der Figuren – jede Farbe würde hier nur stören, ebenso wie ein leibhaftiger Mensch, der durchs Bild laufen könnte.

Siepes Fotos gehören ebenso in die Zeit der Nacht und in das Reich der Träume wie die Kreaturen des Sprayers.

Heute sind diese Fotos historische Dokumente, denn längst wurden Naegelis Graffitti von den Putzkolonnen gründlich entfernt.
Alle Fotografien sind bisher unveröffentlicht und werden nun nach über 40 Jahren zum ersten Mal präsentiert."


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